Vorbemerkung

Im Jahr 1890 erkaufte Apotheker Eduard Georg Christian Wildt den „Gänseberg“ in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem 1865 erbauten und von Dr. Adolf Sturm betreuten Kurhaus und errichtete 1891 auf dem neuen Grundstück ein "Kinder-Sanatorium".

Auf Drängen staatlicher und kirchlicher Kräfte gründeten Vertreter verschiedener Länder und Vereine Thüringens in dieser Zeit ein „Comite“ zum Zweck der Schaffung eines Thüringen Frauenasyls, das eine Satzung erarbeitete und sich bereits Pfingsten 1895 in Erfurt den gegebenen Erfordernissen entsprechend entschied, in Köstritz ein Frauenasyl einzurichten. Da eben dieses obengenannte Wildtsche Sanatorium für einen Mietpreis von 1.000 M pro Jahr auf 10 Jahre hierfür genutzt werden konnte.

Dem „Thüringer Frauenasyl Köstritz“ wurden schließlich am 07.05.1896 vom Fürsten Reuß j.L. die Rechte einer juristischen Person und einer mildtätigen Stiftung verliehen.

Am 11. Mai 1896 wurde in dem vormaligen Wildtschen Kinder-Sanatorium das „Thüringer Frauenasyl Köstritz“ am Gänseberg (heute: Gleinaer Weg) feierlich und festlich eröffnet.

Treibenden Kräfte für die Schaffung einer Einrichtung zur Wiedereingliederung von Frauen in das gesellschaftliche Leben kamen Ende des 19. Jahrhunderts aus den Reihen der Inneren Mission in Thüringen, die schließlich auch die ersten Mitarbeiter in die neue Einrichtung entsandte. Der kirchliche Charakter von Einrichtung und Stiftung sollte durch einen eigens bestellten Hausgeistlichen abgesichert werden. Damit war die Stiftung von ihren ersten Anfängen her nicht nur sozial, sondern vor allem auch diakonisch geprägt.

 


Die Stiftung als operative Stiftung (1896-2006)

 

Stiftung „Thüringer Frauenasyl“ (1896-1926)
Ziel der Stiftung war es, strafentlassenen Frauen aus „Anstalten“ und „Zuchthäusern“ ein „Asyl“ zu bieten, um wieder einen Weg zurück in das Leben zu finden.

Erst 1911 wurde schließlich neue „Thüringer Frauenasyl Köstritz“ am Goldbach (heute Eleonorenstr. 20a) eingeweiht und der Umzug von Kinder-Sanatorium am Gänseberg in die neuen Räumlichkeiten vollzogen. (Das Gebäude des ehemaligen Kinder-Sanatoriums wurde. 2005 abgerissen und es entstand  auf dem Gelände eine moderne Villa.)

 

Stiftung „Thüringer Mädchenheim" (1925-1950)
In der von Pfarrer Werner Sylten reformierten Satzung heißt es in § 2:

1. „Der Zweck des Mädchenheimes ist, als Erziehungsanstalt im Sinne der Inneren Mission

a) Im Auftrag und auf Kosten von Fürsorge-Erziehungsbehörden gemäß § 62 des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes die Fürsorgeerziehung an arbeitsfähigen, schulentlassenen minderjährigen Mädchen zur Verhütung oder Beseitigung von Verwahrlosung durchzuführen,

b) soweit Plätze vorhanden sind, arbeitsfähige, schulentlassenen Mädchen, die verwahrlost oder sittlich gefährdet sind, aufzunehmen, um ihnen den Wiedereintritt in geordnete Lebensverhältnisse zu ermöglichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Als Mittel zu diesen Zwecken dient ein familiäres Zusammenleben aufgrund einer christlichen Hausordnung und die Ausbildung in allen Arbeitszweigen einer tüchtigen Hausfrau oder zu einem geeigneten Berufe sowie der Unterricht in allen Fächern der Mädchenberufsschule.“ In den Kriegswirren wurde das Heim auch kurzfristig als Lazarett genutzt.

 

Spezialkinderheim (1949-1972)

1949 eröffneten die Behörden der DDR in den Räumlichkeiten wieder ein Spezialkinderheim ein.

„Die Spezialheime widerspiegelten in konzentrierter Form die „klassischen“ Herrschaftsmethoden in der DDR und bereiteten insofern „auf das Leben nach dem Heim“ vor.

Beispiele:

  • Abschotten vor unerwünschten Einflüssen (Westen, Reformen, Religion etc.)
  • Isolation
    • Organisation der Gesellschaft vorwiegend in Strukturen der Über- und Unterordnung – Disziplin
    • Strukturierung der sozialen Basis in funktionalen Gruppen – Kollektiv
    • Definition des Menschen über die Arbeit
    • Qualität von Bildung und Ausbildung abhängig von der Loyalität gegenüber dem System – Deprivation.“
      (Dr. Christan Sachse, Schwerin 2012)

Die Stiftung wurde 1950 aufgelöst und in das Eigentum vom „Land Thüringen“ und später dann von den Behörden der DDR in das „Eigentum des Volkes“ übertragen.


Jugendwerkhof (1972-1989)

Jugendwerkhöfe in der DDR waren spezielle Heime für Kinder und Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren, die als verhaltensgestört und schwererziehbar angesehen wurden. Die Kinder und Jugendlichen sollten dort nach den Geboten der Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit umerzogen werden. Untergebracht wurden insbesondere Jugendliche, die nicht in das Gesellschaftsbild der DDR passten.

Für die Einweisung in einen Jugendwerkhof reichten teilweise schon kleinere Vergehen aus, die staatlichen Organen, in der Schule oder auch den Nachbarn auffielen, wie z.B. Schulverweigerung. In der Regel hatten die Inhaftierten keine Straftat begangen, sondern entsprachen einfach nicht den Vorstellungen einer „sozialistischen Persönlichkeit“.

Die Erziehung geschah in erster Linie politisch. Daneben erhielten die Jugendlichen eine Ausbildung zum gering qualifizierten Teilfacharbeiter. (Andreas Freund)

 

 

 

Nach der Wende (1990) beantragte die Diakonie die Rückübertragung der Einrichtung und führte diese Einrichtung als eine Einrichtung der stationären Jugendhilfe, weiter.

 

Stiftung Jugendheim „Geschwister Scholl“ Bad Köstritz (1998)

Am 03.12.1998 wurde sie als rechtsfähige, kirchliche „Stiftung Jugendheim ‚Geschwister Scholl‘ Bad Köstritz“ bürgerlichen Rechts (wieder gegründet) genehmigt. Die Stiftung übernahm damit auch wieder die Betreibung der Jugendhilfeeinrichtung.

 

Diakonische Förder-Stiftung „Geschwister Scholl“ Bad Köstritz (2006-2015)

Die Jugendhilfeeinrichtung in Bad-KöstritzDie Stiftung war bis zum Ende des Jahres 2006 Träger der Jugendhilfeeinrichtungen (Jugendheim Förderschule und Förderberufsschule) in Bad Köstritz. Zum 01.01.2007 übertrug die Stiftung ihre operative Tätigkeit auf die DO Kinder- und Jugendhilfe gGmbH einer Tochtergesellschaft der DO Diakonie Ostthüringen gGmbH.
In Abstimmung mit der Stiftungsaufsicht wandelte sich die Stiftung in eine Förderstiftung im Sinne des § 58 Nr. 1 der Abgabenordnung um. Die Erträge der Stiftung sollen zukünftig satzungsgemäß der pädagogischen Arbeit, insbesondere mit Kindern und Jugendlichen zukommen. Die Rahmenbedingungen dafür wurden in der Satzung der Diakonischen Förder-Stiftung „Geschwister Scholl“ Bad Köstritz geregelt.

Im September 2010 nahm die DO Kinder- und Jugendhilfe gGmbH Verhandlungen mit dem WENDEPUNKT e.V. (einem paritätischen Träger) auf, um ihm schließlich zum 01.01.2011 die Betreibung der gesamten Einrichtungen in Bad Köstritz zu übertragen.

 

Diakonische Förderstiftung „Werner Sylten“ Bad Köstritz (seit 2015)

Mit den Jahren reifte die Überlegung, dass es an der Zeit ist mit der Stiftung an das vergessene Leben und Wirken von Pfarrer Werner Sylten zu erinnern. Er, der von 1925 – 1936 die Einrichtung in Bad Köstritz als hervorragender Theologe und Pädagoge geleitet hat, würde im Namen die geschichtlich gewachsene, untrennbare Bedeutung zwischen Stiftung und Jugendhilfeeinrichtung wesentlich deutlicher zum Ausdruck bringen, als die sicher zu schätzenden Geschwister Scholl, die jedoch keinerlei Bezug zu der Stiftung oder der Einrichtung in Bad Köstritz haben.

Pfarrer Werner Sylten wurde damit nach 1925 (aktiv) heute noch einmal passiver Initiator einer Namensänderung der Stiftung, um den geschichtlichen Veränderungen und seiner Bedeutung gerecht zu werden. Dieser Schritt sollte gleichsam eine „Wiedergutmachung“ von Seiten der Kirche sein, die ihn letztlich 1936 wegen seiner jüdischen Abstammung schutzlos dem Nationalsozialismus ausgeliefert hatte. Gleichzeitig ist es eine posthume Würdigung seines theologischen und pädagogischen Wirkens, in dem er seiner Zeit weit voraus war.

 

 

Bildnachweis:

Bilder zum Beitrag "Die Stiftung als operative Stiftung" © Privatbesitz Walter Sylten, Berlin

 

 

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